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Gastbeitrag: Es war wirklich so — zur Causa Liminski

Auf Twitter hat Marianna Henning geschrieben, warum sie die Causa Liminski so stark aufgreift — aus dem engsten Umfeld von Laschet. Ich finde den Text zu wichtig, um auf Twitter wieder zu verschwinden, und sie hat mir erlaubt, ihn hier als Gastbeitrag zu veröffentlichen.

Ein Thread — oder besser gesagt ein Rant — warum ich mich in die Causa #Liminski so reinhänge.


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Spoiler: Ich bin dermaßen wütend, dass ich auch deftige Ausdrücke benutzen werde.

Ich bin Jahrgang 1948 und unter genau solchen katholischen Typen wie Liminski aufgewachsen.

Es war ein Scheißleben! meine Kindheit und Jugend und meine ersten Schritte als erwachsene Frau waren genau von jenem Katholizismus geprägt, wie Liminski ihn propagiert.

Es gab keinerlei sexuelle Aufklärung und keinen Zugang zu Verhütungsmöglichkeiten.

Mit Beginn der Pubertät lebte ich in ständiger Angst, dass ich schwanger werden könnte oder in sündiger Selbstbefriedigung verelenden würde und in der Hölle landen würde.

Ich bekam mit, was mit jungen Frauen, die unehelich schwanger wurden, passierte. Geächtet und beschimpft war noch das geringste.

Solchen „Weibern“ wurde von sogenannten „guten Katholiken“ empfohlen doch ins Wasser zu gehen. Eine eindeutige Aufforderung zum Suizid.

Es gab bei uns aufm Friedhof eine Abtrennungmauer. Hinter der wurden Mädchen/Frauen verscharrt, die sich selbst das Leben nahmen.

Dort wurden auch Mädchen und Frauen verscharrt, die z. B. bei der Geburt eines unehelichen Kindes starben, denn sie waren ja sündig.

Es war auch scheißegal ob man als Frau schwanger wurde, weil man verliebt war oder vergewaltigt wurde.

Schuld war letztlich immer die Frau.

Man konnte - im Falle einer Vergewaltigung - der dörflichen Missachtung nur entgehen, wenn man den Vergewaltiger heiratete.

Selbiges galt natürlich auch für den Fall freiwilligen Sexualkontaktes.

Wenn eine der Typ nicht geheiratet hat, war man als Frau am Arsch.

Im Zweifelsfall blieben dann eben nur noch Suizid oder Engelmacherin übrig.

Wer mit dem Begriff Engelmacher/Engelmacherin nichts anfangen kann: hier entlang: https://de.wikipedia.org/wiki/Engelmacher

Und was die Ehen anbelangt. Da warst du als Frau auch der Arsch.

Hab oft genug mitbekommen, dass Frauen geschlagen wurden.

Aber die waren ja selbst schuld. Hätten einfach freudiger ihren ehelichen Verpflichtungen nachkommen müssen.

Alternativ war die Frau halt an Schlägen selbst schuld weil sie nicht gut genug kochte, den Haushalt nicht gut genug machte usw.

Die perfideste Begründung war aber, dass Gott das so wollte. Sei es als Prüfung oder als Strafe und dass es der Frau ja im Jenseits besser gehen würde und dass sie im Diesseits vielleicht doch mal Schuld und Sünde auf sich geladen habe, dass Gott sie so straft.

Der Pfarrer war einem da auch keine Hilfe. Der blies ins gleiche Horn und sabbelte noch zusätzlich von Teufel und Sünde und Höllenfeuer usw.

Apropos Teufel. Die „Generation Benedikt", umbenannt in „Generation Pontifex", die Liminski gegründet hat, sabbelt noch heute davon.

Siehe Punkt 8. im Sicherungslink: https://archive.is/nfxUf

Mir fällt gerade ein, dass mir ja auch etliche junge Menschen folgen. Das, was ich da so beschreibe klingt für euch vielleicht nach nem schlechten Film oder Game.

Es war aber wirklich so.

Wenn ihr die Möglichkeit habt, dann fragt in einer ruhigen Minute eure (Ur-)Großeltern. Fragt sie, wo Frauen, die verzweifelt eine Engelmacherin aufsuchten und dann starben beerdigt wurde, oder wo Frauen, die sich aus Verzweiflung umbrachten, beerdigt wurden.

Ich komme zum Phänomen „glückliche Witwen". Meine Mutter gehört auch dazu. Dabei war mein Vater für damalige Verhältnisse schon fast ein Feminist.

Trotzdem reagierte er sehr verärgert, wenn er das Gefühl hatte, dass seine gottgegebene Autorität unterlaufen wurde.

Ich gehöre einer Generation an, die damit aufgewachsen ist und auch so erzogen wurde, dass Gott eben vorsah, dass der Mann der Haushaltsvorstand war. Egal worum es ging: es war gottgewollt, dass der Mann das letzte Wort hatte.

Es gab nur heterosexuelle Paare. Und wehe die hatten keine Kinder. Schließlich (bedenkt, es war vor dem VK II) war selbst die eheliche Sexualität im Grunde nur dazu da um Gottes Willen zu erfüllen und das hieß Kinder zu zeugen.

Kinder zu zeugen hieß aber auch, dass man als Frau zuhause zu bleiben hatte und den Mann und die Kinder zu verwöhnen hatte. War ja gottgewollt.

Und wehe man brach als Frau aus diesem Muster aus! Hab das am eigenen Leib erlebt.

Hab mir nen schnuckeligen lieben sanften süßen Evangelischen an Land gezogen. Da es damals keine Verhütungsmittel gab, wurde ich doch glatt auch schnell schwanger.

Das war sozusagen ein Armageddon für meine gesamte Großfamilie.

Der Pfarrer hat mich wissen lassen, dass ich dafür in der Hölle büßen würde. Insbesondere, falls ich es wagen würde zu den Evangelischen zu wechseln. Teufel und so. ;-)

Diverse Familienmitglieder (nicht meine Eltern!) legten mir tatsächlich nahe „ins Wasser zu gehen“ - sprich Suizid zu verüben um die Schande wenigstens möglichst klein zu halten.

Zwei Tanten von mir versuchten mich dazu zu überreden zu einer Engelmacherin zu gehen. Wohl wissend, dass sowas auch meinen Tod hätte bedeuten können. Aber die Schand mit dem evangelischen Bankert wär dann wenigstens weg.

Letztlich ging es „gut“ aus. Mein damaliger Freund und ich konnten die jeweiligen Eltern überzeugen, dass wir mit deren Genehmigung standesamtlich heiraten konnten.

Nur galt so eine standesamtliche Trauung damals nicht als „richtige“ Trauung.

Mein damaliger Mann und ich klemmten uns auf ein Moped und fuhren gen Süden.

Seine Eltern verbreiteten, dass ich zum evangelischen Glauben konvertiert wäre und wir in der Schweiz heimlich kirchlich geheiratet hätten.

Meine Eltern verbreiteten, dass wir nach Italien gefahren wären und mein Mann zum katholischen Glauben konvertiert wäre und wir dort heimlich geheiratet hätten.

Genau das ist die Bigotterie, die Glaubende damals ausgezeichnet hat und Leute wie Liminski heute noch auszeichnet. Sie sind davon überzeugt, dass ihr Glaube der einzig Wahre wäre.

Alle jene Liminskis glauben daran, dass ihr Glaube, ihre Vorstellung von Ehe und Familie, ihre Vorstellung von Sexualität usw. die einzig wahren Vorstellungen wären, da sie Gottgewollt sind.

Tschuldigung: aber ich scheiß da drauf!

Denn all diese Liminskis tun so, als wäre ihre Welt, ihre Vorstellung von der Welt, ihre Sexualmoral, ihre Vorstellung von Ehe, Familie usw. das einzig wahre und untermauern das immer mit ihrem Gott.

Und all diese Liminskis begnügen sich nicht damit, dass sie alleine damit leben. Sie versuchen immer und immer wieder ihre Vorstellungen auch über andere Menschen drüberzustülpen.

Aus meiner über 70-jährigen Lebenserfahrung zeige ich daher all jenen Liminskis den ausgestreckten Mittelfinger. Als Frau und als Mensch.

Das was ihr wollt ist in meinen Augen Unterdrückung.

Vergesst es.

Nicht mit mir!

Ich werde, solange ich noch irgendwie denken und fühlen kann, mit allen mir zur Verfügung stehenden Mitteln verhindern, dass ihr wieder eure kruden „gottgewollten“ Theorien in die Gesellschaft einbringt und Frauen unterdrückt.

Es geht aber nicht nur um Frauen.

Ihr sogenannten „wahren Katholiken“ - ich nenne euch #Katholiban - unterdrückt auch Homosexuelle Menschen, Alleinerziehende, Bisexuelle, Transsexuelle usw.

Ich will das nicht akzeptieren.

Nie Nie Nie

Einer meiner Enkel ist homosexuell. Er hat einen total lieben Lebensgefährten.

Für euch Katholiban ein Gräuel.

Dort, wo Liminski sprach, sprach auch ein katholischer Kardinal und sabbelte von Todesstrafe dafür.

FUCK YOU!

Liminski nahm mehrmals am Kongress „Freude am Glauben" teil, organisiert von „Forum Deutscher Katholiken“, und sprach und moderierte da auch.

Bischof Huonder nahm da auch mehrmals teil. Das ist der „Todesstrafen-Sabbler“ bzgl. Homosexuellen.

Hier Quellen dazu:

  1. sueddeutsche.de/politik/schweiz-ihr-blut-soll-auf-sie-kommen-1.2602398
  2. queer.de/detail.php?article_id=24326

Genau deswegen engagiere ich mich u. a. in der Causa Liminski so.

Niemalsnienicht dürfen solche Menschen je wieder was zu sagen und/oder zu entscheiden haben.

Diese ganzen #Katholiban sollen in ihre Löcher zurückkriechen, aus denen sie herausgekrochen kamen.

Danke an Marianna, dass sie ihre persönliche Geschichte geteilt und damit daran erinnert hat, welche Erfahrungen Leute auch in Deutschland gemacht haben — und wohin manche unsere Gesellschaft wieder treiben wollen!

Marianna Henning 2021-08-11 Mi 00:00 - Impressum - GPLv3 or later (code), cc by-sa (rest)